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25.11.2006
Als der Brautraub zum Ehehindernis wurde
...Neuer Band der "Fontes Christiani" für Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. bekommt auf dem internationalen Historikerkongress zum Konzil Quinisextum in Istanbul am 28.11.2006 ein Buch geschenkt, das soeben in der Reihe "Fontes Christiani" erschienen ist: Band 82 "Concilum Quinisextum - Das Konzil Quinisextum" enthält erstmals den griechischen Urtext und eine moderne deutsche Übersetzung sowie einen kritischen Kommentar der 691/692 beschlossenen kirchlichen Rechtsregeln (Canones). Herausgeber Prof. Dr. Heinz Ohme (HU-Berlin) wird dem Papst sowie dem Patriarchen von Konstantinopel die Lederausgaben überreichen. Die Reihe Fontes Christiani wird von einer Bochumer Arbeitsstelle unter der Leitung von Prof. Dr. Wilhelm Geerlings (Katholisch-Theologische Fakultät der RUB) herausgegeben.
Dauerthema der Polemik zwischen Ost- und Westkirche
Mit den 102 Canones des Concilium Quinisextum hat die Konstantinopolitaner Synode 691/692 n. Chr. versucht, mit Hilfe des Kirchenrechts das kirchliche Leben neu zu ordnen. Keine andere Synode der Alten Kirche hat in so umfangreicher Weise Recht gesetzt. Viele der Bestimmungen sind wirkungsgeschichtlich höchst bedeutsam für die konfessionelle Ausprägung der orthodoxen Kirchen. So wurde diese Synode ab dem 11. Jh. zu einem Dauerthema der Polemik zwischen griechischem Osten und lateinischem Westen.
Sonntagsarbeitsverbot für Kleriker verschärft
Aber nicht nur für die Beziehungen zwischen Altem und Neuen Rom sind die Canones von großem Interesse, sondern vor allem auch für das christliche Alltagsleben. Sie beantworten u. a. Fragen des Sonntagsgebotes, des Eherechtes, der Abtreibung und Prostitution oder aber auch generell der Stellung der Laien in der Kirche. War bereits durch Konstantin d. Gr. die Heiligung des Sonntages durch ein Arbeitsverbot (mit Ausnahme der landwirtschaftlich arbeitenden Bevölkerung) eingeführt worden, muss nun 300 Jahre später sowohl Klerikern als auch Laien eingeschärft werden, sonntags auch regelmäßig zur Kirche zu gehen.
Ehebruch von Mann und Frau gleichwertig
Beim Eherecht definiert die Kirche hier erstmals rechtlich bestimmte Verwandtschaftsgrade als Ehehindernisse. Aber nicht nur Verwandtschaft, sondern auch der damals gängige Brautraub wurde zum Ehehindernis. In den meisten Fällen ging eine solche Entführung mit der Vergewaltigung der Frau einher. Selbst wenn die Frau mit der Entführung einverstanden war, ihr Ruf war in jedem Fall ruiniert, denn sie wurde nicht mehr als Jungfrau betrachtet. Das Konzil verordnet für diese Fälle den Kirchenbann (Anathema), die schwerste kirchliche Strafe. Zugleich regelte das Konzil den Ehebruch von Frau und Mann als gleichwertig. Dies war keineswegs selbstverständlich, denn nach römischem Recht machte sich in einer ehebrecherischen Beziehung allein die verheiratete Frau des Ehebruchs schuldig. Der Ehebruch des Mannes hingegen war nicht strafbar.
Abtreibung wird Straftat
Die Abtreibung ordneten christliche Zeugnisse von Anfang an als Mord ein. Das Konzil bestimmt nun die Abtreibung auch rechtlich als Mord und verhängt die Bußstrafen nicht nur über die Frauen, sondern auch über die Mittäter. Im römischen Recht hingegen galt die Abtreibung lange Zeit als nicht strafbar, da Embryonen nicht als Lebewesen betrachtet wurden. Erst ab dem 3. Jh. wurde daraus ein Straftatbestand - allerdings nur unter dem Aspekt der Verletzung des Vaterrechts. Nach dem Concilium Quinisextum wurde der abortus dann auch dort zu einem grundsätzlichen Straftatbestand.
Männer müssen Haare kurz tragen
Bei der Prostitution schließt sich das Quinisextum den Bestimmungen des weltlichen Rechts an, die den Frauen, zumeist Sklavinnen, mit Mitleid und Straffreiheit begegnen und Bordellwirte unter härteste Strafen stellten. Die kirchenrechtlichen Bestimmungen nahmen darüber hinaus auch das Wirtshaus und Badehaus als Hauptorte der Prostitution in den Blick. Sie verboten Klerikern das Betreten der Wirtshäuser und allen, auch Laien, das gemeinsame Baden von Männer und Frauen. Insgesamt wurde die Prägung der Öffentlichkeit mit Verboten des Würfelspiels oder von Pferderennen und Schauspielen in der Osterwoche bedacht. Das Verbot für Männer, das Kopfhaar lang und geflochten zu tragen, erscheint heute seltsam. Ist aber auf dem Hintergrund der aufreizenden Versuche zu sehen, Frauen dadurch zum Geschlechtsverkehr zu bewegen, und soll somit Teil der Heiligung des täglichen Lebens sein.
Ein ökumenischer Rundumschlag
Die auf dem Concilium Quinisextum verfassten Canones waren jahrhundert lang Streitgegenstand zwischen Ost- und Westkirche. Die ökumenischen Bemühungen der Verständigung mit der Ostkirche, wie sie besonders von Benedikt XVI. gepflegt werden, bedürfen einer exakten historischen Absicherung. Eine kritische Edition der Konzilsakten lag bisher nicht vor. Zum ersten Mal wird nun in den "Fontes Christiani" eine kritische Edition mit Einleitung, Kommentar und deutscher Übersetzung vorgelegt. Der Herausgeber, Prof. Dr. Heinz Ohme, ist evangelischer Kirchenhistoriker und Konfessionskundler an der Humboldt Universität zu Berlin. In einem katholischen Unternehmen (Fontes Christiani) erscheint von einem evangelischen Kirchenhistoriker angefertigt eine Edition, die vor allem der Verständigung mit der Ostkirche dient: ein ökumenischer Rundumschlag.
Bilder: Michelangelo (aus der Sixtinsichen Kapelle um 1539)
Weitere Informationen
Prof. Dr. Wilhelm Geerlings, Ruhr-Universität Bochum, Katholisch-Theologische Fakultät, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24703, Fax: 0234/32-14428, E-Mail: wilhelm.geerlings@rub.de