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12.12.2005
Alte Familien, Schlösser, Güter und Herrenhäuser
...Tremsbütel!
Nur einer blieb cool: der Gärtner. Als am 26. Juni 1966 Hunderte von Beatles-Fans das beschauliche Stormarner Dörfchen Tremsbüttel stürmten und vor dem prächtigen Schloss Stellung bezogen, sorgte sich Wilhelm Rothfuß vor allem um seine Rosen. Die Edelgewächse im eleganten Schlosspark mussten in der allgemeinen Aufregung heftig Blätter lassen – schließlich sollte der Stop der legendären „Pilzköpfe“ im traditionsreichen Gemäuer als einziger seiner Art in die Geschichte Schleswig-Holsteins eingehen.
Morgens früh um kurz vor 5 Uhr rollte der Sonderexpress auf dem Provinz-Bahnhof Ahrensburg ein. Nicht irgendein Triebwagen - die fabulous four reisten in denselben Luxus-Waggons, die schon Queen Elizabeth II auf ihrem Deutschland-Besuch genügten. Mehrere Autos brachten die Stars dann in das Hotel Schloss Tremsbüttel, mit dabei unter anderem Produzent Bert Kämpfert.
Die Fans, die sehnsüchtig auf ihre Idole warteten, sahen zunächst nicht viel. Die Beatles waren müde. Ihre „Bravo-Blitz-Tournee“ hatte zwei Tage zuvor mit einem Auftritt im Münchener Zirkus Krone begonnen, darauf folgten zwei Gigs in der Essener Gruga-Halle. Noch am selben Tag ihrer Ankunft in Tremsbüttel sollten sie in der Hamburger Ernst-Merck-Halle auftreten, zum dritten und letzten Mal auf ihrer Kurz-Tournee durch Deutschland.
Also begaben sich die Stars in Tremsbüttel zunächst schlafen. Um 13.30 Uhr mittags aber war es soweit: Die Beatles zeigten sich ihren Fans von dem Balkon des Schlosses und forderten damit prompt hysterische Schreie vor allem der weiblichen Fans heraus. Wenig später ging es per Auto und Polizeieskorte nach Hamburg zu zwei Auftritten. Erst spät in der Nacht kamen sie wieder zurück, am frühen Morgen des 27. Januar reisten sie dann wieder ab, zur Japan-Tournee. Die Konzerte selbst blieben überschaubar: Nur zehn Lieder gaben die Beatles zum besten: Rock & Roll, She’s a Woman, If I Needed, Tripper, Baby’s in Black, I Feel Fine, Yesterday, Be Your Man, Nowhere Man, Paperback notierten die Chronisten.
Es waren die letzten, die je in Deutschland life zu hören waren. Am 29. August traten die Beatles ein letztes Mal öffentlich auf, in San Francisco, danach, bis zu ihrer Auflösung 1970, blieben sie in den Studios.
Die Wahl Tremsbüttels als Übernachtungsort für die Superstars kam nicht von ungefähr. „Das einzige Hotel, in dem man in Deutschland leben kann“, schrieb etwa das enfant terrible der deutschen Schauspielkunst, Klaus Kinski, in das Gästebuch des Schlosses, das auf eine wechselreiche Geschichte zurückblicken kann.
Schon mindestens seit Mitte des 18. Jahrhunderts stand an der Stelle des heutigen Schlosses ein Gebäude als Sitz eines feudalen Verwaltungsbeamten. Später zog Amtmann Christian Graf zu Stolberg dort ein, der den Fachwerkhof durch ein Herrenhaus im klassizistischen Stil ersetzte. Aus dem durchgeplanten Barockgarten wurde ein romantisch-wilder englischer Park, durch den zahlreiche illustre Besucher der Stolbergs wandelten, Vordenker der Aufklärung wie Friedrich Klopstock, Matthias Claudius, Wilhelm von Humboldt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zog das Großbürgertum auf den adligen Sitz, Repräsentanten des neuen Geldadels. Sogar ein Sklavenhändler soll darunter gewesen sein. 1895 ließ schließlich der Industrielle Alfred Hasenclever an Stelle des Stolberg’schen Kulturtempels einen neuen Prachtbau im Stil der Neo-Renaissance errichten. Der Entwurf stammte von dem damaligen Berliner Stararchitekten Hans Grisebach.
Schon damals, zwölf Jahre vor dem Anschluss des Dorfes Tremsbüttel an die elektrische Überlandleitung, erhielt das wuchtige Gebäude eine komplette Ausstattung mit elektrischem Licht, erzeugt durch einen eigenen Generator.
Die Ära Hasenclever und damit die Zeit der Gutsherren fand 1939 ein Ende, als die Witwe Hasenclevers das inzwischen stark abgewirtschaftete Anwesen an Jonny Oellerich verkaufte. Der renovierte, baute um und eröffnete 1949 ein Schlosshotel, mit 21 Gästezimmern. Schon zu Oellerichs Zeiten gaben sich die VIPs die schwere Klinke in die Hand: Im Gästebuch jener Zeit stehen Namen wie General von Lettow-Vorbeck, Hildegard Knef, Lilian Harvey, Geza von Cziffra.
Hier knüpfte Siegfried Zimmermann an, als er 1959 das Hotel erwarb. Der Chef eines Kosmetik-Konzerns, einer Filmproduktionsfirma, einer Hotelkette und einer Reederei investierte noch einmal in Umbauten und Renovierungen und erhob damit das Schloss endgültig zum Luxushotel der Spitzenklasse. Nicht nur die Beatles, auch etwa die Rolling Stones, Leonard Bernstein, Sophia Loren, Heinz Rühmann, der Wirtschaftswunder-Minister Ludwig Erhard nächtigten in den Seidenbetten. Das Schloss diente mehrfach als Filmkulisse, bot den angemessenen Rahmen für Verleihungen von Medien-Preisen, wie „Bambi“ und „Goldene Kamera“.
Ende der 1970er erlebte die Luxusherberge den allmählichen Niedergang, verfiel zusehends. Ihre Rettung verdankt sie eher unrühmlichen Umständen: Ein Norderstedter Unternehmer kaufte und sanierte das Gebäude, das repräsentativer Firmensitz sein sollte. Die Firma stellte sich allerdings als betrügerisch heraus, der Schlossherr musste für einige Monate in den Kerker.
Heute ist das Schloss Tremsbüttel im Besitz der Unternehmer-Familie Strathmann und dient erneut als Hotel und Kommunikationszentrum für Tagungen und Empfänge – allerdings um einiges leiser, als noch zu Zeiten der Beatlemania.
Bilder: Die Beatles 1966 und Schloss Tremsbüttel