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6.04.2005

Die letzten Pferdehändler im Lande

... ein Kennerblick und Hans Bock weiß genau, ob der Verkäufer das Pferd jünger gemacht hat als es ist. „Ist schon besser, wenn man was davon versteht“, grient der 68-Jährige. Er versteht „was vom Pferd“, denn seit mehr als 50 Jahren ist der Pferdehandel sein Beruf. Der aber ist im Begriff auszusterben. Auf dem Pferdemarkt in Ellerau (siehe Bild) kommen die Letzten ihres Standes allmonatlich zusammen, ehrbare, die ihren guten Ruf pflegen, und Rosstäuscher, die den gefährden.

Im bunten Gewimmel von Schaulustigen und Kaufinteressierten im Hinterhof der Gastwirtschaft „Futterkrippe“ mitten in Ellerau (Kreis Segeberg) sind die Pferdehändler am Handstock zu erkennen, manche schlicht, andere mit kunstvoll verziertem Knauf. „Das ist unser verlängerter Arm“, erklärt Otto Reimers. Der Händler aus Brinjahe bei Rendsburg ärgert sich über manch pikierten Blick aus dem Publikum. „Die denken, wir würden die Pferde damit schlagen“, grummelt der bärtige Zweimetermann und versichert, das sei Unsinn. Viel mehr diene der Stock dazu, zwischen die angebundenen Tiere treten zu können, ohne einen plötzlichen Schlag oder Biss zu riskieren.

Überhaupt rankten sich zu viele Vorurteile um den Pferdehandel, findet Reimers. Er schimpft seinerseits über die „Modeerscheinung“, sich einfach mal ein Pony zu kaufen, ohne die leiseste Ahnung von den Tieren zu haben. „Das sind doch keine Lackschuhe, die man in den Schrank stellen kann, wenn man keine Lust mehr dazu hat.“ Beratung steht bei ihm deshalb ganz oben an. Niemand müsse gleich auf dem Markt den berühmten Handschlag geben, besser sei gerade für unsichere Kunden, das Pferd beim Händler auf dem Hof auszuprobieren.

Allerdings gebe es auch immer mehr Leute, die mit Pferden handeln, aber nichts davon verstehen. „Die denken, man verdient sich dabei dösig“, schnaubt Reimers. Gerade diese Scharlatane würden den alten Berufsstand der Pferdehändler in Misskredit bringen. Er schwingt seinen Handstock hoch und weist in eine Ecke, in der eine junge Stute immer unruhiger wird. „Merkst du was? Die Wirkung des Beruhigungsmittels lässt allmählich nach...“ Mit solchem Doping würde aus manch verrücktem Zossen ein sanftmütiges Reh.

Auch Hans Bock ärgert sich über solche Schwindler: „Einer scheißt den anderen an“. Als Betreiber des Ellerauer Pferdemarktes achtet er mit Argusaugen darüber, dass ihm niemand mit einem kranken oder verwahrlosten Tier auf den Hof kommt. Dabei ist er gelegentlich strenger als der Tierarzt, der beim morgendlichen Auftrieb auf einem Pferdemarkt den Zustand der Tiere überprüfen muss.

Der Mann mit dem verschmitzten Blick wird wehmütig, wenn er an alte Zeiten denkt, als noch jeden Sonntag und oft auch am Samstag irgendwo ein Pferdemarkt stattfand. Dann fand sich aus ganz Deutschland eine Szene zusammen, in der jeder jeden kannte, und man mittags die Geschäfte mit Schnäpschen begoss. „Heute steht gleich an jeder Ausfahrt Polizei, wenn irgendwo Pferdemarkt war, wegen Alkoholkontrolle“, hat Bock erfahren. Aber ein Pferdemarkt ohne Schnaps sei nun mal kein Pferdemarkt.

Aber der Händler aus Leidenschaft weiß, dass es nicht die Schnapskontrollen sind, die die traditionellen Pferdemärkte aussterben lassen. Die Rosstäuscherei hat Anteil daran, aber auch das knappe Geld und einfach die veränderten Zeiten. „Heute kann man eigentlich nicht mehr allein davon leben“, bedauert Bock, der selbst noch Holsteiner Pferde züchtet, Rindermast auf seinem Hof in Hartenholm (Kreis Segeberg) und eine Gastwirtschaft beim Pferdemarkt in Ellerau betreibt. Und der froh ist, dass seine jüngste Tochter wenigstens den Hof weiterführt: „Nachwuchs im Pferdehandel, der den von der Pieke auf lernt, gibt’s kaum noch.“

Kevin, der elfjährige Sohn des Brinjaher Händlers Otto Reimers, weiß noch nicht, was er werden will. Pferdehändler? Seine Augen leuchten auf: „Joah....vielleicht.“ „Der versilbert jetzt schon gern alles Mögliche“, grinst sein baumlanger Vater. Und bei dem kann Kevin das Geschäft auf jeden Fall von der Pieke auf lernen.





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